Mulm im Zuchtbecken: Schmutz oder Schatz?
Früher habe ich Mulm gehasst. Ich sah ihn als Schmutz, als Fehler, als etwas, das regelmäßig abgesaugt werden muss. Heute denke ich völlig anders. In der Zucht ist Mulm kein Makel – er ist ein Systembestandteil. Und manchmal sogar der Schlüssel zum Aufzuchterfolg.
In diesem Beitrag zeige ich dir, warum Mulm in Zuchtbecken nicht nur toleriert, sondern gewollt ist. Du lernst, wie du ihn gezielt entstehen lässt, wie du ihn kontrollierst – und wie deine Jungfische davon profitieren.
1. Was ist Mulm eigentlich?
Mulm besteht aus abgestorbenen Pflanzenresten, Futterpartikeln, Fischkot, Biofilm und Mikroorganismen. Es ist keine homogene Masse, sondern ein lebendiger Mikrokosmos:
- Bakterien, die organisches Material abbauen
- Infusorien, die Jungfische fressen können
- Mikroalgen, Pilze und Zersetzungshelfer
Mulm ist gewissermaßen der Komposthaufen des Aquariums – aber einer, der unglaublich nützlich sein kann.
2. Mulm als Lebensraum für Jungfische
Frisch geschlüpfte Fische sind oft zu klein für Artemia oder Trockenfutter. In einem gut eingefahrenen Becken mit Mulm finden sie:
- Kleinstlebewesen (Infusorien, Ziliaten, Rädertierchen)
- Biofilm, der abgeschabt wird
- Natürliche Deckung und Schutz
Ich habe ganze Aufzuchten ohne Zusatzfutter erfolgreich durchgebracht – allein durch reichlich Mulm, Laub und ein paar Pflanzen mit Wurzeln im Wasser. Das funktioniert nicht bei jeder Art – aber z. B. bei Parosphromenus, Endler-Guppys oder Danio margaritatus sehr gut.
3. Wie man „guten“ Mulm bekommt
Mulm ist nicht gleich Mulm. Der Unterschied liegt in Zusammensetzung, Sauerstoffverfügbarkeit und Stabilität. Guter Mulm:
- riecht erdig, nicht faulig
- liegt locker auf dem Boden
- wird von Schnecken, Garnelen oder Jungfischen durchwühlt
So entsteht er:
- Laub einbringen: Seemandelbaum-, Eichen- oder Buchenblätter fördern Mikroflora
- Fütterung bewusst anpassen: kleine Mengen, aber häufig – Mikroreste fördern Leben
- Filterleistung nicht überdimensionieren: ruhige Ecken mit Mulmansatz ermöglichen
Ich verwende in Zuchtbecken gerne eine Ecke mit feinem Sand, Laub und Wurzeln – dort entsteht fast automatisch ein ökologisch wertvoller Mulmteppich.
4. Mulm als Wasserstabilisator
Ein interessanter Nebeneffekt: Mulm puffert Schwankungen. Er enthält Mikroorganismen, die bei Bedarf Ammonium binden, Nitrit abbauen und sogar Huminstoffe freisetzen.
Das erklärt, warum Zuchtbecken mit etwas Mulm oft stabiler laufen als klinisch gereinigte Aquarien. Ich habe mehrfach erlebt, dass ein „zu sauberes“ Becken Probleme bereitete – z. B. Totalausfälle bei Jungfischen, die in frisch gereinigte Becken umgesetzt wurden.
5. Wann Mulm zum Problem wird
Natürlich hat auch Mulm seine Grenzen. Problematisch wird er, wenn:
- er anaerob wird (dicke Schicht, fauliger Geruch)
- er sich zu stark ansammelt und organische Belastung steigt
- er durch Futterreste „kippt“ (besonders bei proteinreicher Fütterung)
Meine Regel: Wenn ich beim Rühren mit einem Finger auf dem Boden keine Gasblasen oder Geruch feststelle, ist alles ok.
Alle 6–8 Wochen sauge ich punktuell etwas Mulm ab – aber nur dort, wo er sichtbar fault oder sich staut. Ansonsten bleibt er, wo er ist.
6. Mulm gezielt einsetzen – so mache ich es
- In Aufzuchtboxen: ein Esslöffel Mulm aus dem Elternbecken wirkt Wunder
- In neuen Becken: Mulm als „Starterbiologie“ vor dem Einsetzen von Fischen
- Beim Umsetzen von Jungfischen: ein wenig Mulm mitnehmen – es wirkt beruhigend
Ich habe sogar kleine Mulm-Vorratsboxen in meiner Anlage: belüftete Behälter mit Sand, Laub, Bakterien und Mikroorganismen – immer einsatzbereit, wenn ein neuer Wurf kommt.
Fazit: Lerne, Mulm zu schätzen
Wer Mulm versteht, hat einen entscheidenden Vorteil in der Zucht. Er ist mehr als Dreck – er ist biologisch aktives Substrat, Mikronährstoffträger, Infusorienquelle und Stabilitätsgarant.
Natürlich brauchst du etwas Erfahrung, um guten von schlechtem Mulm zu unterscheiden. Aber wenn du deine Becken regelmäßig beobachtest und nicht versuchst, sterile Perfektion zu erreichen, wird Mulm dein Freund.
Und ganz ehrlich: Die besten Jungfischentwicklungen habe ich nicht in den saubersten Becken erlebt – sondern in den lebendigsten.
Herzlich,
Haustier Blogger
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